
Wer in Sombor unterwegs ist, der trifft unweigerlich irgendwann auf seinen Namen: Milan Konjović. Er ist unter den Künstlern der größte Sohn der Stadt. Das künstlerisches Vermächtnis des Malers sind heute die Kronjuwelen der Stadt. Ein Schatz, der noch größeren internationalen Ruhm ernten könnte, würde er nicht fern im beschaulichen Sombor liegen.
Ich mache mich heute auf den Weg, um mehr über einen der größten Maler Serbiens zu erfahren. Der beste Ort dafür ist die Galerie Milan Konjović am Platz der Dreifaltigkeit im Zentrum der Stadt.
Das Haus im Biedermeier-Stil war einst Apotheke, später sein Atelier und seine Galerie. Heute ist es ein Museum, das den Großteil der über 500 Werke beherbergt, die er seiner Heimatstadt hinterlassen hat.
Erste Ausstellung schon mit 15
Ich bin mit Peter Mraković verabredet, der das Museum leitet. Ich bitte ihn bei einer Tasse Kaffee, mir etwas über Milan Konjović aber auch über sich und sein Verhältnis zu Konjović zu erzählen.
Mraković ist selbst bildender Künstler und hat vielleicht seine ersten künstlerischen Impulse in Kindertagen von Konjović erhalten.

„Ja, meine Eltern erzählten mir, dass sie mit mir einst in der Galerie waren. Dort veranstaltete Konjović schon früh Malkurse mit Kindern. Er soll gesagt haben, dass das ganz gut sei, was ich da male“, erzählt Mraković und lacht. „Vielleicht war das auch eine Initialzündung für mich. Ich kann mich selbst aber nicht daran erinnern“, sagt er. Später verlor sich der Kontakt. Mraković beendete die Schule in Split, studierte in Sarajevo und Novi Sad und arbeitete anschließend an einer Grundschule.
Konjović starb 1993 mit 95 Jahren und Mraković wurde erst 2009 Museumsdirektor. Und doch gibt es die eine oder andere Parallele zwischen dem Künstler und dem Direktor. So wurden beide in Sombor geboren, und sie verbindet die Liebe zur Kunst und zur Stadt.
„Milan Konjović erblickte 1898 in Sombor das Licht der Welt und war der Erste in seiner Familie, der nicht in der Juristerei oder Politik sein Einkommen fand. Er hatte schon früh die künstlerische Richtung eingeschlagen. Er besuchte das Gymnasium in Sombor und hatte 1914 im Alter von 15 Jahren seine erste Ausstellung“, berichtet Direktor Mraković.

Ich möchte von ihm wissen, was ihn am meisten an dem Künstler Konjović beeindruckt: „Das Schaffen von Milan Konjović gliedert sich in insgesamt sechs große Perioden, was für ein Künstlerleben viel ist. Für mich als Künstler ist es faszinierend zu sehen, wie er in verschiedenen Phasen hart an sich gearbeitet aber auch mit sich gerungen hat. In Zeiten persönlicher Probleme oder tiefer Lebenseinschnitte sind Künstler manchmal am kraftvollsten und emotionalsten. Das ist bei Konjović sehr deutlich zu sehen.“
Für sein Publikum seien aber die Zeiten wichtig, als er nach verschiedenen Auslandaufenthalten wieder nach Sombor kam und hier seine Klassiker wie „Zrelo žito“ in Öl malte, was übersetzt „Reifer Weizen“ bedeutet. In dieser Zeit fing er in seinen Bildern die Farben, Landschaften, Menschen und Milieus der Vojvodina ein und setzte ihnen ein künstlerisches Denkmal.
Diese Werke seien es auch, die die Menschen in Sombor mit dem Namen Konjović verbinden, erklärt mir Museumsdirektor Mraković.
In der Kriegsgefangenschaft verschwindet die Farbe
„An diesen Bildern kann ich sehen, dass er sehr zufrieden war als er in Sombor lebte und malte“, fügt er an. Ganz im Gegensatz dazu stehe die „Graue Phase“, als nach dem Zweiten Weltkrieg – Konjović war in Osnabrück in Kriegsgefangenschaft – die Farbe fast völlig aus seinen Bildern verschwunden war. Erst Anfang der 50er-Jahre wurde er wieder farbenfroher.

Konjović war in Sombor kein abgehobener Künstler, sondern ein Mann, der aufgrund seiner Statur zwar auffiel, aber auch ganz normal zum Stadtbild gehörte. Auf Schwarz-Weiß-Aufnahmen im Büro von Peter Mraković ist er zu sehen, wie er mit seinem Fahrrad in der Stadt Besorgungen machte oder öffentlich malte.
Insgesamt hat Milan Konjović in seinem Künstlerleben rund 6000 Werke geschaffen. Er malte und zeichnete in Öl, mit Pastell-, Wasserfarben und mit Bleistift, schuf Mosaike und Graphiken. 500 Werke hat er bereits 1966 der Stadt Sombor vermacht und mit einem klugen Vertrag sichergestellt, dass seine Galerie ein städtisches Museum wurde.
Nach unserem Kaffee zeigt mir Peter Mraković noch die Galerie. Neben den Bildern ist für mich beeindruckend, dass die Räume in der ersten Etage alle in einem sehr kräftigen Rot gestrichen sind. Nun könnte man meinen, die vielen farbenfrohen Gemälde würden nur auf einem weißen Hintergrund zur Geltung kommen. Das Gegenteil ist der Fall. Selten habe ich in einer Ausstellung Kunstwerke und Umgebung so im Einklang erlebt wie hier mit den knallroten Wänden und dem warmen Holzfußboden. Und selbst die Heizungsrohre passen irgendwie dazu.

Ich frage Peter Mraković nach seinen Lieblingsbildern hier. Er zeigt mir das schon erwähnte „Zrelo žito“ mit einer typischen Vojvodina-Landschaft und ein lachendes Selbstportrait von Konjović aus dem Jahr 1947. Beide mit dickem Pinsel in Öl gemalt. Mraković stellt sich neben den Konjović-Kopf und lacht ebenfalls. Ich drücke auf den Auslöser und wieder ist eine dieser kleinen Parallelen zwischen dem Künstler und dem Direktor festgehalten.
Im Erdgeschoss sind neben Graphiken und Zeichnungen auch Malutensilien und einige Dokumente aus dem langen Leben von Milan Konjović zu sehen.
Direktor Mraković berichtet, dass man im Jahr rund 10.000 Besucher habe. Natürlich seien viele Schulkassen und Studenten darunter, doch auch ausländische Besucher fänden den Weg nach Sombor.
Ich bin mir sicher, stünde die Galerie Milan Konjović nicht im beschaulichen Sombor abseits der großen Zentren und Touristenströme, sondern in Berlin, Wien oder Paris, sie wäre ein Hotspot der internationalen Kunstszene.
Hier gibt’s große Kunst für kleines Geld
Momentan reichen die Finanzmittel nur, um einmal im Jahr eine Ausstellung im Ausland zu organisieren. In Paris, Brüssel, Prag oder Wien waren die Werke schon zu sehen. Mraković würde Konjović auch gerne nach Deutschland bringen, allerdings fehlen dazu momentan noch die Kontakte und Sponsoren. Vielleicht hilft dieser Beitrag ja ein wenig.
Einen Vorteil hat die etwas abgeschiedene Lage in Sombor allerdings doch: Der Eintrittspreis von umgerechnet rund 80 Cent dürfte für die Qualität der gebotenen Kunst unschlagbar sein. Der Eintritt ins Freibad am Bački Kanal in Sombor ist der Gleiche.
Als ich Peter Mraković zum Abschluss meines Besuchs in der Galerie nach einem persönlichen Wunsch für die Zukunft frage, überlegt er lange, will sich aber auf nichts Materielles oder Konzeptionelles festlegen, sondern antwortet eher philosophisch: „Ich wünsche mir, dass die Menschen draußen auf der Straße wieder mehr lächeln. Die wirtschaftliche und soziale Lage im Land ist nicht gut. Gerade wurden die Gehälter der Staatsbediensteten um zehn Prozent gekürzt. Ob es irgendwann besser wird, wissen wir nicht. Die Menschen machen kaum Pläne für die Zukunft. Da fällt es schwer, ein Lächeln auf den Lippen zu haben. Ich wünsche mir, dass sich das wieder ändert.“
Ich muss unweigerlich daran denken, wie kurz zuvor das lachende Selbstbildnis von Milan Konjović ein Lächeln in das Gesicht von Peter Mraković gezaubert hat. Wenn die Kunst das kann, sind die 80 Cent Eintritt schon gut angelegt.
Meine Verwandtschaft saß bei Konjović Modell
Milan Konjović starb nach einem erfüllten Leben am 20. Oktober 1993 in Sombor. Er ist auf dem großen orthodoxen Friedhof in Sombor begraben. Wer das Grab sucht, fragt am besten die Friedhofsarbeiter. Direkte Nachfahren gibt es heute keine mehr. Seine Tochter blieb kinderlos. In Sombor leben im Anwesen der Familie aber Nachkommen seines Bruders.

Als ich vom Besuch in der Galerie zurück in das Haus meiner Schwiegereltern komme und von meinen Erlebnissen berichte, da meldet sich sofort die Großmutter meiner Frau zu Wort. Der Konjović, ja, der habe auch mal Verwandte von uns gemalt, weiß Baba zu berichten. Eine Tante und einen Onkel. Eine dickliche Frau und ein hagerer Mann seien das gewesen. Beide seien schon lange tot. Wann das war, wisse sie allerdings nicht mehr.
Nach 1,5 Stunden blättern in den dicken Werkverzeichnissen von Milan Konjović haben wir die Beiden gefunden: Bild Nummer 2699 mit dem Titel „Muholovka i Vince“, 1973 in Sombor gemalt, Öl auf Leinwand, 85 x 115 Zentimeter, im Fundus der Stadt Sombor.
Siehe da, die Verwandtschaft saß bei Konjović Modell. Das Bild stammt aus der assoziativen Phase des Künstlers. Ob die Beiden sich gut getroffen fanden, ist nicht überliefert.
Mehr Informationen (in Englisch) gibt es auf der Homepage der Galerie Milan Konjović. Unten im Video könnt Ihr Direktor Peter Mraković sehen und hören – er würde sich über einen Besuch freuen. Ganz unten ist auf der Google-Karte die Lage der Galerie Milan Konjović in Sombor eingezeichnet. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen durfte ich mit freundlicher Genehmigung der Galerie Milan Konjović veröffentlichen.
(This post is also available in English!)
Update, 5. September 2016:
Peter Mraković ist nicht mehr Direktor der Galerie Milan Konjović. Er hat Anfang September gekündigt. Wie die Wochenzeitung Somborske Novine schreibt, sind Sparmaßnahmen der Stadt im kulturellen Bereich der Hintergrund für den Weggang von Mraković. Er habe seine Ideen und Vorstellungen nicht mehr umsetzen können und daher gekündigt.
Video aus der Galerie Milan Konjović
Fotos aus der Galerie Milan Konjović

Hier findet Ihr die Galerie Milan Konjović
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Dragi Ralfe !!!!
S vremena na vreme se upitam da li si u proslom zivotu ziveo u Somboru i Srbiji !!!
Hvala ti u moje ime i ime svih somboraca!!!
Hvala puno!
Schön beschrieben – ein Besuch lohnt sich wirklich. War auch schon da.