Bislang grenzte das Gebiet der Gemeinde Sombor in Serbien an zwei Nachbarstaaten: Kroatien und Ungarn. Seit April ist ein dritter hinzugekommen: Liberland. Der tschechische Politaktivist Vít Jedlička hat im Niemandsland zwischen Serbien und Kroatien an der Donau einen neuen Staat ausgerufen. Damit sorgt er für weltweite mediale Aufmerksamkeit. Und für Polizei-Einsätze diesseits und jenseits der Donau. Sombor Blog beantwortet die zehn wichtigsten Fragen rund um Liberland und erklärt, was am 1. Mai in Sombor und Liberland passierte und warum die Exil-Regierung von Liberland nun in Sombor sitzt.
1) Was ist Liberland und wo liegt es?

Liberland ist eine etwa sieben Quadratkilometer große Fläche an der Donau zwischen Kroatien und Serbien. Am 13. April 2015 hat eine Gruppe um Vít Jedlička dort die „Freie Republik Liberland“ ausgerufen und zum souveränen Staat erklärt. Dazu wurde eine selbst entworfene Flagge in den Boden gerammt, eine Presseerklärung veröffentlicht und eine vorläufige Verfassung verkündet.
Liberland liegt am westlichen Donau-Ufer gegenüber dem Dorf Bački Monoštor, das zur Gemeinde Sombor gehört. Jedlička erklärte, an der Fläche seien im Rahmen der Grenzstreitigkeiten weder Serbien noch Kroatien interessiert, daher sei es Niemandsland. Das Areal liegt direkt an der Donau, besteht aus Wäldern, Wiesen und Sümpfen und wird bei Hochwasser teils überflutet. Es gibt zwei Feldwege und ein zerfallenes Haus.
Die Freie Republik Liberland versteht sich als libertärer Staat. Das Motto lautet „Leben und leben lassen“. Die Verfassung Liberlands will die persönliche und wirtschaftliche Freiheit seiner Bürger schützen. In Liberland wolle man eine „Gesellschaft schaffen, wo ehrliche Leute prosperieren können, ohne dass der Staat ihnen das Leben mit überflüssigen Verboten und Steuern unangenehm machen würde“, so Jedlička in einem Interview. Steuern sollen keine erhoben werden. Währung ist der digitale Bitcoin. Voraussetzung für die Staatsbürgerschaft ist lediglich, dass man „weder Kommunist, noch Nazi noch ein anderer Extremist“ ist. Bislang haben sich auf der Liberland-Homepage über 300.000 Interessenten für eine Staatsbürgerschaft registriert.
2) Wer ist der Präsident von Liberland?
Vít Jedlička (31) ist ein tschechischer Politiker. Er wurde nach eigenen Angaben von den Staatsgründern Liberlands zum Präsidenten gewählt. Jedlička wohnt mangels Wohnsitz in Liberland derzeit in Prag und ist Mitglied der Partei der Freiheitlichen in Tschechien. Die Partei ist weder im Abgeordnetenhaus noch im Senat vertreten. Bei der EU-Wahl 2014 eroberte sie jedoch einen Sitz im Europaparlament, obwohl sie stark euroskeptisch ist. Symbolik und Farbwahl der Flagge von Liberland lehnen sich an die Bewegung der Anarchokapitalisten an. Jedlička nannte in mehreren Medien den „immer stärkeren Einfluss von Interessengruppen auf das Fungieren der Staaten und damit zusammenhängende schlechtere Lebensbedingungen für die Menschen“ als Grund für die Gründung von Liberland – wohl auch, weil sich seine politischen Vorstellungen in Tschechien demokratisch nicht umsetzen ließen.
3) Wird Liberland international anerkannt?

Nein, bislang hat kein anderer Staat Liberland anerkannt. Andere Neugründungen der Neuzeit wie der Südsudan oder das Kosovo können da deutlich bessere Quoten vorweisen. Jedlička und seine Aktivisten haben nach eigenen Angaben an Österreich und Kroatien diplomatische Noten übergeben. Zu einer Anerkennung oder der Aufnahme diplomatischer Beziehungen hat das bislang nicht geführt. Von Seiten der Stadt Sombor ist nichts über eine Kontaktaufnahme zum neuen Nachbarn bekannt.
Das formale Vakuum füllen die Liberland-Staatsgründer derweil mit allerlei pseudodiplomatischen Aktivitäten und nehmen damit auch ein wenig den Diplomaten-Habitus auf die Schippe. Jedlička beruft sich gerne auf Monaco und den Vatikan, zwei international anerkannte Mikrostaaten. Liberland sei immerhin größer, so Jedlička. Auf focus.de erklärte der Verwaltungs- und Völkerrechtsexperte Professor Ernst Fricke ziemlich ernst, dass die drei Bedingungen für einen souveränen Staat, Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt, nicht erfüllt seien. Ein Staatsgebiet könne etwa nur demokratisch übertragen werden, was bei dieser Mikronation nicht der Fall sei. Man könne schließlich auch nicht mit der Pistole durch die Stadt laufen und sagen, man habe die Staatsgewalt, so Fricke. Nun gut, in der Geschichte sind auch wenig bis kaum demokratisch legitimierte Staatsgründungen bekannt. Und die Sache mit der Pistole ist immer eine Frage der Quantität. Auch hier mangelt es nicht an historischen Beispielen.
4) Warum gibt es den Grenzstreit zwischen Serbien und Kroatien?

Die Donau-Ufer zwischen Serbien und Kroatien sind am Oberlauf wenig bebaut. Oft handelt es sich um Auenwälder, die heute unter Naturschutz stehen. Daher konnte die Donau ihren Lauf in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten immer wieder verändern. Auch heute noch bilden sich neue Sandbänke im Strom und der Fluss knabbert mal an der einen, mal an der anderen Seite etwas Land ab. Im ehemaligen Jugoslawien war die Grenze zwischen den Teilrepubliken nicht von großer Bedeutung. Sie lief entlang eines alten Stromverlaufs an Altarmen der Donau mal auf der einen, mal auf der anderen Flussseite. Während der Balkan-Kriege hatten serbische Aufständische die Kontrolle von Ostslawonien, dem östlichen Teil Kroatiens, übernommen. Mit dem Abkommen von Erdut von 1998 wurde die Region wieder kroatischer Verwaltung unterstellt und der Grenzverlauf vorläufig in der Mitte des Flusses festgelegt. An dieser Grenzregelung orientiert sich Serbien heute und übt die Kontrolle über alle Gebiete östlich der Donau aus. Kroatien beruft sich jedoch weiter auf den Grenzverlauf aus jugoslawischer Zeit. Nach diesem liegen mehrere Ausbuchtungen der alten Grenzlinie auf serbischer Seite. Kroatien beansprucht Flächen von insgesamt 115 Quadratkilometer auf serbischer Seite (auch in offiziellen kroatischen Karten ist dieser Grenzverlauf eingezeichnet).
Vier vergleichsweise kleine Ausbuchtungen des alten Grenzverlaufs liegen jedoch auf kroatischer Seite. Sie sind klassisches Niemandsland, da Serbien sie nicht als sein Staatsgebiet betrachtet und Kroatien sie aber als serbisches Hoheitsgebiet einstuft.Von diesen vier Flächen, die keiner haben will, hat sich der Tscheche Vít Jedlička die größte ausgesucht und dort auf einer von einem Donau-Altarm umgebenen Halbinsel die „Freie Republik Liberland“ ausgerufen.
Wer heute von kroatischer Seite das Liberland-Areal betritt, begeht nach kroatischer Interpretation einen illegalen Grenzübertritt, da es dort keinen Grenzübergang gibt. Allerdings stehen die vier Ausbuchtungen auf kroatischer Seite faktisch unter kroatischer Kontrolle. Die Grenzbehörden orientieren sich in der Praxis an der Flussmitte. Anders wäre die EU-Außengrenze von kroatischer Seite auch kaum zu sichern. Denn: Wer in der EU um Asyl nachsuchen will, müsste sich sonst nur in eine der kroatischen Ausbuchtungen auf serbischer Seite im Bereich von Sombor begeben. Das Asylbegehren verhallt dort aktuell allerdings wegen der Nicht-Anwesenheit kroatischer Staatsorgane ungehört. Klingt kompliziert, ist aber spannend. Anders erklärt: Liberland gehört eigentlich zu Sombor.
5) Was sagen Kroatien und Serbien zu Liberland?
Offiziell bislang recht wenig. Belgrad gibt Gelassenheit vor. „Die Grenze verläuft in der Mitte der Donau, so dass der neue Staat nicht auf serbischem Territorium liegt“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums der Deutschen Presse-Agentur. Kroatische Diplomaten sprachen laut welt.de von „virtuellen Grenzverletzern“, da Liberland bislang praktisch nur im Internet existiere. All zu sehr aufregen kann man sich natürlich auch nicht, da nach kroatischer Vorstellung Liberland ja in Serbien liegt.
6) Kann ich Liberland besuchen?

Das dürfte mit der medialen Aufmerksamkeit vorbei sein. Sowohl von Kroatien als auch von Serbien aus wird das als illegaler Grenzübertritt gewertet, da Ein- und Ausreise jeweils nur an den dafür vorgesehen Grenzpunkten erlaubt sind. Der nächste Grenzübergang liegt drei Kilometer weiter nördlich bei Sombor-Bezdan. Zudem handelt es sich um eine EU-Außengrenze, die entsprechend überwacht wird. Bislang ist die Einreise nur den Aktivisten um Jedlička gelungen. Offenbar war allerdings anschließend noch jemand da, denn, so hört man, die Fahne sei mittlerweile wieder verschwunden. Vielleicht liegt sie auch in der Asservatenkammer der kroatischen Grenzpolizei.
7) Was passierte am 1. Mai als Aktivisten nach Liberland wollten?
Für den 1. Mai hatte Liberland-Präsident Vít Jedlička auf der offiziellen Webseite von Liberland alle Präsidenten der Welt zum „First Liberty Day“ nach Liberland eingeladen. Zudem sollten in einer feierlichen Zeremonie die ersten Staatsbürgerschaftsurkunden verliehen werden. Die Anreise sollte per Boot von serbischer Seite aus erfolgen.
Am gleichen Tag machte sich eine Gruppe von Liberland-Fans aus Belgrad von kroatischer Seite auf dem Landweg Richtung gelobtes Land auf. Der Trupp wurde jedoch vor Erreichen von Liberland von der kroatischen Polizei gestoppt, wie serbische Medien berichteten. Die Kroaten hätten demnach vor einem illegalen Grenzübertritt gewarnt und höflich aber bestimmt mit juristischen Konsequenzen in Form von 1500 Euro Strafe und bis zu drei Jahren Haft gedroht. Hier konnte auch Präsident Jedlička nicht weiterhelfen, den man telefonisch um Hilfe gebeten hatte. Er lud die Gruppe jedoch auf die serbische Seite ein, wo er mit Anhängern derweil auf Boote wartete, um von Sombor-Bački Monoštor nach Liberland überzusetzen.
Da die Boote auf sich warten ließen, vertrieb man sich die Zeit in einer Freizeitanlage mit Gästehaus in Bački Monoštor – also fast in Sichtweite von Liberland. Da die Zeit fortschritt und Langweile aufzukommen drohte, verlieh Präsident Jedlička schon mal die ersten zehn Staatsbürgerschaften. Fotos postete Liberland auf seiner Facebook-Seite. Die ersten Bürger von Liberland sind also in Sombor eingebürgert worden.

Als nach geraumer Zeit doch noch das erwartete Schlauchboot auf einem Anhänger eintraf, machte man sich von dem Gästehaus aus, wo ein Teil der Truppe logierte, in einem Konvoi von zehn Autos auf zum Donau-Ufer, um nach Liberland überzusetzen. Das Treiben war allerdings auch der serbischen Polizei nicht verborgen geblieben. Und so bekamen Präsident und Volk noch bevor sie in See stechen konnten Besuch von serbischen Uniformierten. Teilnehmer berichten im Internet von einer rund zweistündigen Diskussion am Donau-Ufer. Mangels Einsicht beim Präsidenten boten die Polizisten an, das Gespräch auf der Polizeiwache fortzusetzen. Letztlich brachen die Liberländer ihr Vorhaben ab. Ersatzweise hat Präsident Jedlička weitere „Liberland Liberty Days“ an den Folgetagen ausgerufen. Über das Eintreffen von Staatsoberhäuptern aus aller Welt oder der Ankunft von Jedlička und seinen Anhängern in Liberland ist bis dato allerdings nicht bekannt.
Wie Liberland auf seiner offiziellen Facebook-Seite am Nachmittag des 2. Mai mitteilte, eröffnete man in Sombor-Bački Monoštor – in besagtem Gästehaus, der „Oaza mira kod lepog Tome“ (Oase der Ruhe beim schönen Thomas) – ein Konsulat für Serbien. Es ist gleichzeitig auch der vorläufige Sitz der Liberland-Administration. Liberland hat seine Exil-Regierung also in Sombor eingerichtet.
Die Koordinaten des Konsulats in Bački Monoštor (Google-Maps-Link):
45°48’21.7″N 18°56’15.6″E
8) Sorgt Liberland für neue Konflikte auf dem Balkan?
Eine neue Staatsgründung auf dem Balkan, das könnte schnell für Unruhe sorgen – könnte man meinen. Bislang ist aber alles ruhig. Was allerdings auch an der mangelnden Staatsgewalt von Liberland liegen mag. Auch hat man ja keinem etwas weggenommen.
9) Wie wird es mit Liberland weitergehen?

Bislang lebt Liberland digital und medial. Liberland braucht Aufmerksamkeit, um wahrgenommen zu werden. Die Medien lieben absurde Geschichten, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Zwischen Liberland und den Medien gibt es derzeit also eine Win-Win-Situation. Auf dieser Welle surft Jedlička durch die Lande und führt diplomatische Konsultationen oder trifft sich mit Investoren für Liberland. Der mediale Rummel dürfte aber irgendwann wieder abebben. Alle Gründungen von Mikro- oder Operettenstaaten sind bislang im Sande verlaufen oder spätestens mit dem Tod ihrer Gründer wie im Fall von Seeland zu Grabe getragen worden. Wer sich dennoch in Liberland niederlassen möchte, der wird spätestens im Winter merken, dass libertäre Freistaaten ohne Infrastruktur und Sozialsystem deutlich ungemütlicher sind als herkömmliche Staatsformen.
10) Wo finde ich Liberland im Internet?
Da Liberland derzeit nur virtuell existiert, ist es im Internet an vielen Stellen zu finden. Hier die wichtigsten Seiten als Link hinterlegt.
Die offizielle Homepage von Liberland
Der offizielle Facebook-Account von Liberland
Der offizielle Twitter-Account von Liberland
Die Facebook-Seite von Vít Jedlička
Der Sitz der Exil-Regierung: „Oase der Ruhe beim schönen Thomas“
Daneben gibt es noch zahlreiche offizielle und nicht-offizielle Ableger der Seiten im Social-Media-Bereich sowie von Liberland legitimierte und nicht-legitimierte Botschafter und Ländergruppen.
Karte
Liberland und Sitz der Exil-Regierung in Sombor-Bački Monoštor
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The territory was already claimed by the sovereign state of Paraduin on March 5. Liberland is only third in line. In contrast to Liberland, Paraduin has no plans that would antagonize Croatia or Serbia.
See also: http://www.paraduin.nl/?p=173, „Illegal Liberland flag removed from Siga“.
I really got a great interest in Liberland.
All my life, i like to learn another languages, cultures and contries.
And got a big wish to live in a correct place, with a peaceful life, in a better place to live.
I believe in Liberland!