
Wie wird zukünftig die Grenze zwischen Serbien und Kroatien nahe Sombor verlaufen? Beide Länder wollen eine Einigung in dem Grenzstreit finden. Ist dies auch das Ende des Liberland-Projektes? Und welche Flächen werden letztlich zu Sombor gehören?
Seit den jugoslawischen Zerfallskriegen gibt es über den Grenzverlauf zwischen Serbien und Kroatien entlang der Donau keine Einigung. Die zerstrittenen Nachbarn wollen ihren Konflikt jetzt beilegen.
Dies ist Teil einer Vereinbarung, die der serbische Regierungschef Aleksandar Vučić und die kroatische Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarović in Subotica unterzeichneten. Anschließend trafen sich beide symbolträchtig in der Mitte der Donau-Brücke am Grenzübergang Bogojevo-Erdut. Vučić hatte Blumen dabei.
Der Hintergrund im Grenzstreit:
Im ehemaligen Jugoslawien war die Grenze zwischen den Teilrepubliken Serbien und Kroatien nicht von großer Bedeutung. Sie lief entlang eines uralten Stromverlaufs an Altarmen der Donau in einer Schlangenlinie mal auf der einen, mal auf der anderen Flussseite (schwarze Linie auf der Karte oben).
Während der Balkan-Kriege hatten die Jugoslawische Volksarmee und serbische Aufständische die Kontrolle von Ostslawonien, dem östlichen Teil Kroatiens, übernommen. Mit dem Abkommen von Erdut von 1998 wurde die Region wieder kroatischer Verwaltung unterstellt und der Grenzverlauf in der Mitte der Donau festgelegt.

An dieser Grenzregelung orientiert sich Serbien heute und übt die Kontrolle über alle Gebiete östlich der Donau aus. Kroatien beruft sich jedoch wieder auf den Grenzverlauf aus jugoslawischer Zeit und sagt, die Verhandlungsdelegation in Erdut sei nicht zum Vertragsabschluss ermächtigt gewesen.
Nach der kroatischen Interpretation liegen daher mehrere Ausbuchtungen der alten Grenzlinie auf serbischer Seite. Kroatien beansprucht im Grenzstreit Flächen von insgesamt 115 Quadratkilometer auf serbischer Seite. Betroffen sind davon auch Flächen, die zum Gemeindegebiet von Sombor gehören (bei Bezdan und Bački Monoštor).
Vier vergleichsweise kleine Ausbuchtungen des alten Grenzverlaufs liegen auf kroatischer Seite. Sie seien Niemandsland, argumentiert der Tscheche Vít Jedlička, da Serbien sie nicht als sein Staatsgebiet betrachtet und Kroatien sie aber als serbisches Hoheitsgebiet einstuft/einstufen will. Von diesen vier Flächen hat sich der Tscheche die größte ausgesucht und 2015 die „Freie Republik Liberland“ ausgerufen.
Es gibt kein Niemandsland
Die Behauptung, es handele sich um Niemandsland, ist aus meiner Sicht allerdings eine (bewusste) Fehlinterpretation. Die momentane Nicht-Beanspruchung ergibt sich aus den beiden unterschiedlichen Positionen der Länder im ungelösten Streit um den Grenzverlauf. Sollten sich Serbien und Kroatien auf einen Grenzverlauf einigen, wird sicher eines nicht passieren: dass Flächen übrig bleiben.
Wie geht es also weiter mit dem Liberland-Projekt? „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte.“ Nach diesem alten Sprichwort agierten bislang die Liberland-Aktivisten und versuchten wiederholt, „ihr Land“ zu besetzen. Es folgten Festnahmen durch die kroatische Polizei und Verfahren wegen illegaler Einreise.

Doch wenn zwei ihren Streit beilegen, könnte der Dritte bald in die Röhre schauen. Ich habe den selbst ernannten Präsidenten Vít Jedlička nach seiner Einschätzung gefragt. Etwas diplomatisch-wortkarg antwortete er: „Dies ist eine große Chance für Liberland. Wir verfolgen das genau.“ Nun, man reime sich eine Interpretation zusammen.

Doch wie wird es weitergehen? Welche Lösungen sind im Grenzstreit zwischen Serbien und Kroatien denkbar?
Serbien möchte in die EU und wird meiner Meinung nach alles (was der serbischen Öffentlichkeit noch irgendwie vermittelbar ist) versuchen, die Streitpunkte mit Kroatien beizulegen. Denn: Gegen das Veto Kroatiens wird es nichts mit der EU-Mitgliedschaft. Dass die Grenze wieder in Schlangenlinien auf serbischer Seite verläuft, ist allerdings schwer vorstellbar. Schon aus praktischen Gründen.
Kroatien wird allerdings nicht so ohne weiteres auf 115 Quadratkilometer Staatsgebiet verzichten. Die Erinnerung an die kriegerische Auseinandersetzung ist dafür noch frisch.
Geht man davon aus, dass es mit der serbischen EU-Mitgliedschaft nichts wird, dann bleibt die Grenze EU-Außengrenze. Eine Grenze in der Flussmitte ist gut zu kontrollieren. Ein Grenzverlauf mal auf der einen, mal auf der anderen Seite wäre hingegen kaum praktikabel.
Kroatien: Streit an fast allen Grenzen
Wären beide Länder EU-Mitglied, dann wäre die Grenze kaum noch von großer Bedeutung und eine Einigung auf den von Kroatien favorisierten Verlauf wäre einfacher. Liberland würde dann allerdings wieder zu Bački Monoštor und damit zur Gemeinde Sombor gehören.
Dass trotz des erklärten guten Willens eine Lösung ein langer Weg sein kann, zeigen die anderen Grenzkonflikte von Kroatien. Mit der Ausnahme von Ungarn liegt Kroatien mit allen Nachbarländern (Slowenien, Serbien, Bosnien und Herzegowina und Montenegro) im Streit.
Meine Prognose zur Zukunft von Liberland: Weder Serbien noch Kroatien haben Interesse an einem neuen Land. Liberland bleibt somit eine politische Idee, ein Internet-Phänomen und ein Sommerspaß für ein paar Abenteurer, denen es nichts ausmacht, auch mal ein kroatische Gefängnis von Innen zu sehen.
Alle Beiträge im Blog zum Thema Liberland könnt Ihr hier lesen.
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Ich gehe davon aus, dass du mit deiner Prognose recht hast. Die Liberland-Rechtsposition ist doch zu abenteuerlich, als dass sie vor irgend einem Gericht Bestand haben könnte.