
Rund 4000 Menschen haben sich in Serbien bei der Volkszählung 2011 als Angehörige der deutschen Minderheit bekannt. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Nachfahren der Donauschwaben, die seit dem 17. Jahrhundert entlang der Donau siedelten. Doch wie ist ihre Lage heute? Haben sie in Serbien eine Chance als Minderheit oder ist die Zukunft längst abgebrannt?
Schätzungen zufolge liegt die Gesamtzahl der Deutschstämmigen deutlich höher bei etwa 10.000. Erfahrungsgemäß möchten sich viele ältere Donauschwaben, die noch die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Deutschen Repression, Internierung und Vertreibung erleben mussten, nicht mehr als Donauschwaben und Angehörige einer Minderheit gegenüber staatlichen Stellen bekennen. Zu groß ist das Trauma, das sie erlitten.
Schwerpunkt in der Batschka
Erstaunlich ist, dass die statistische Zahl der deutschen Minderheit von der Volkszählung 2002 zur Zählung 2011 um etwa 150 leicht zugenommen hat. Dies mag auf die aktive Arbeit von donauschwäbischen Vereinen zurückzuführen sein.
Mit rund 3300 Menschen findet sich die stärkste Zahl von Deutschen auf dem Gebiet des heutigen Serbiens in der autonomen Provinz Vojvodina im Norden des Landes. Dort liegen links der Donau in der Batschka auch die klassischen donauschwäbischen Dörfer, die Donauschwaben nach den Türkenkriegen auf Initiative der Habsburger Kaiserin Maria Theresia wiederbesiedelten. Apatin und Neusatz (Novi Sad) waren damals die Orte an der Donau, in denen die Aussiedler mit ihren Ulmer Schachteln ab dem 17. und 18. Jahrhundert anlandeten.
Gemäß der Volkszählung von 2011 verteilen sich die Deutschen in Serbien wie folgt:
- Batschka: 2195
- Banat: 828
- Syrmien: 249
- Belgrad: 498
- Südserbien: 294
Organisation der deutschen Minderheit in Serbien
Organisierte Strukturen der deutschen Minderheit finden sich fast ausschließlich in der Vojvodina. Die ersten deutschen Vereine wurden Anfang der 1990er-Jahre gegründet, der erste in Novi Sad. Es folgten Subotica, Sombor und Apatin. Heute gibt es 17 deutsche Vereine, die sich in ganz unterschiedlicher Intensität engagieren. Die Bandbreite reicht von gelegentlichen Treffen zum Kaffeetrinken bis hin zu Brauchtumsgruppen, der Sprachpflege, einer aktiven Jugend- und Kulturarbeit sowie der politischen Vertretung.
Als Orte der Begegnung und Kulturvermittlung werden Heimatstuben, Bibliotheken oder kleine Museen betrieben. Die Vereine in Subotica und Sombor verfügen über eigene Räume.
Im vergangenen Jahr eröffnete das Donauschwäbische Kirchenmuseum in Apatin. Initiator Boris Mašić rettet und sammelt sakrale Kunst und Literatur aus Kirchen in der Batschka, die zusehends verfallen.
Ebenfalls im vergangenen Jahr eröffnete die Heimatstube in Lovćenac (Sekitsch). Im Privathaus von Helga Eisele, die auch Vorsitzende der Heimatortsgemeinschaft Sekitsch ist, hat das Donauschwäbische Zentralmuseum Ulm zusammen mit ihr und dem Museum der Vojvodina eine Ausstellung über das deutsche Dorf Sekitsch zusammengestellt. Außerdem gibt es in Sremski Karlovci (Karlowitz) noch ein donauschwäbisches Heimathaus und in Ratkovo (Parabutsch) ein Museum mit donauschwäbischen Trachten, eingerichtet von Mathias Klein im Auftrag der Landsmannschaft der Donauschwaben – Landesverband Bayern e.V.
Deutsche Vereine setzen sich auch für die Erinnerung an die dunkle Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ein. An mehreren Orten gibt es Gedenkstätten an Massengräbern und Vernichtungslagern. Zudem werden alte deutsche Friedhöfe gepflegt.
Deutsche Vereine in Serbien:
Apatin: Deutscher Verein „Adam Berenz“
Bačka Palanaka: Deutscher Verein Bačka Palanka
Bačka Topola: Deutscher Verein Bačka Topola
Bela Crkva: Deutscher Verein Weisskirchen
Borča: Deutscher Verein Pančevački Rit
Crvenka: Deutscher Verein Crvenka
Kikinda: Deutscher Verein Kikinda
Kula: Deutscher Verein Kula
Novi Sad: Deutscher Verein „Donau“
Odžaci: Deutscher Verein der Gemeinde Hodschag
Sombor: Deutscher Humanitärer Verein „St.Gerhard“
Sremski Karlovci: Stiftung Heimathaus, Deutscher Verein Sremski Karlovci
Subotica: Deutscher Verein „Maria Theresiopolis“
Vrbas: Deutscher Verein Vrbas
Zrenjanin: Deutscher Humanitärer Verein Großbetschkerek
Allen deutschen Vereinen ist der Mangel an finanziellen Mitteln gemeinsam. Die Förderung seitens staatlicher Stellen in Serbien ist marginal. So umfasst zum Beispiel das Minderheitenbudget der autonomen Regierung der Vojvodina für die 17 deutschen Vereine gerade einmal 730 Euro pro Jahr.
Geringe Einnahmen ergeben sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden, weitere Unterstützung kommt aus dem Ausland: Auswärtiges Amt/Deutsche Botschaft Belgrad, Bundesministerium des Inneren, Donauschwäbische Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg, Institut für Auslandsbeziehungen (ifa).
Teilweise entsenden die Partnerorganisationen Stipendiaten und Hospitanten zur personellen Unterstützung der Vereinsarbeit (hauptamtliche Mitarbeiter sind die große Ausnahme) oder sie sind Projektpartner. Dabei müssen jedoch mindestens 30 Prozent der Mittel vor Ort aufgebracht werden.
Da die strukturelle Finanzierung der deutschen Vereine und Projekte in Serbien sehr schwach ist, gehen viele Aktivitäten auf engagierte Privatinitiative zurück.
Deutscher Volksverband
Seit 1996 gibt es mit Sitz in Subotica den Deutschen Volksverband. Er sieht sich laut Satzung als Interessensvertretung der Deutschen Minderheit in ganz Serbien. Zu seinen wichtigsten Aufgaben zählen die Bewahrung der deutschen Identität, die Pflege der deutschen Sprache, der Sitten und Kultur der Donauschwaben sowie das Wachhalten der Erinnerung an die an den Donauschwaben begangenen Verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg. Vorsitzender ist Rudolf Weiss aus Subotica.
Der Nationalrat als politische Vertretung
Seit 2007 gibt es den staatlich initiierten Deutschen Nationalrat in Serbien. Er ist der legitime Vertreter der Deutschen Minderheit in Serbien für die Themen Bildung, Kultur und Information. Bei der letzten Direktwahl 2014 gab es rund 2500 Wahlberechtigte. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 50 Prozent. Zur Wahl stellten sich vier Listen. Die Liste „Gerhard“ Sombor gewann die absolute Mehrheit und stellt aktuell 8 von 15 Nationalratsmitgliedern.
Seinen Sitz hat der Nationalrat im Haus des Deutschen Humanitären Vereins „St. Gerhard“ in Sombor. Die Sitzungen finden wechselweise in Sombor und Subotica statt. Vorsitzender ist Laslo Genze Mandler.
Der Nationalrat hat folgende politische Ziele:
- Medien: ein Fernsehprogramm in deutscher Sprache am staatlichen Fernsehsender. Außerdem arbeitet der Nationalrat an der Erstellung einer eigenen Webseite.
- Bildung: Stärkung der deutschen Sprache im Rahmen der Bildungseinrichtungen bzw. Einführung der deutschen Sprache als erste Fremdsprache in den Schulen und Vorschuleinrichtungen.
- Kultur: Schutz und Pflege des kulturellen Erbes der Donauschwaben. Momentan wird an der Errichtung eines Denkmals in Bački Jarak gearbeitet.
Wirtschaftliche Situation der Minderheit
Die Donauschwaben in Serbien können in wirtschaftlicher Hinsicht keiner speziellen gesellschaftlichen Gruppe zugeordnet werden. Sie bilden vielmehr den Querschnitt der Gesellschaft ab: vom Obdachlosen bis zum Akademiker und Unternehmer.
Das Durchschnittseinkommen in der Vojvodina beträgt rund 350 Euro. Gerade alte Menschen mit kleiner Rente leiden oftmals unter großer Not.
Als Beispiel für die humanitäre Arbeit organisiert der deutsche Verein in Sombor seit über 20 Jahren die Verteilung der Spenden (Grundnahrungsmittel und Hygieneartikel) von Robert Lahr (mit der finanziellen Unterstützung der deutschen Bundesinnenministeriums). Verteilt wird die humanitäre Hilfe an bedürftige Donauschwaben in der ganzen Vojvodina.
Daneben werden aber auch karitative und soziale Einrichtungen wie Altenheime, Schulen und Waisenhäuser unterstützt, die der gesamten Bevölkerung zugute kommen.
Kultur-, Sozial- und Bildungsarbeit der Vereine
Am Beispiel des Deutschen Humanitären Vereins „St. Gerhard“ Sombor lässt sich die Bandbreite der Arbeit in der deutschen Minderheit gut darstellen. Zu den übergeordneten Zielen gehört die Identitätsstärkung der Minderheit. Daneben stehen die humanitäre Hilfe, Bildung von Netzwerken und Kooperationen, Stärkung der Zivilgesellschaft und die öffentliche Präsenz.
Zur Bildungsarbeit gehören Deutsch- und Computerkurse. Die Identität wird mit der Bewahrung donauschwäbischer Traditionen wie Auftritten von Tanzgruppen oder Blasorchestern, der grenzüberschreitenden Tanzfortbildung und der heiligen Messe in deutscher Sprache gestärkt. Eigene Tanz- oder Trachtengruppen gibt es nicht. Es wird aber der Kontakt zu serbischen und kroatischen Tanzgruppen gesucht, um donauschwäbische Tänze als Erbe der Region zu bewahren.

Da im Kommunismus die donauschwäbische Sprach- und Brauchtumspflege lange verboten oder unterdrückt war, ist vieles verloren gegangen.
Zudem veranstaltet der Verein „St. Gerhard“ Lesungen, Ausstellungen und donauschwäbische Abende. Im „Deutsch Café“ treffen sich die Mitglieder, um bei Kaffee und Kuchen Deutsch zu sprechen.
Breiten Raum nimmt in Sombor die Jugendarbeit ein. Hier hat sich gezeigt, dass es nicht sinnvoll ist, nur Jugendliche der deutschen Minderheit anzusprechen. Vielmehr wollen die deutschen Kinder und Jugendlichen die Angebote zusammen mit ihren serbischen Freunden wahrnehmen und sich nicht isolieren.
In Sombor werden Workshops, Theatertage und Freizeiten veranstaltet und auch traditionelle deutsche Feiertage kindgerecht begangen. Die Jugendgruppe „Offene Zone“ organisiert Partys und Veranstaltung und sucht mit Aktionen im öffentlichen Raum den Kontakt zur Jugendszene in der Stadt.
Die große Nachfrage nach Deutschkursen sehen die Donauschwaben mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Einerseits freut sie das Interesse an der Sprache. Anderseits dürfte weniger das kulturelle Interesse im Vordergrund stehen als der Wunsch, in Deutschland zu arbeiten und wenn möglich auszuwandern.
Feste und Jahreshöhepunkte der Deutschen
Zu den Jahreshöhepunkten der deutschen Minderheit gehören traditionell die hohen christlichen Feiertage wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Neben den kirchlichen Veranstaltungen werden Weihnachtmärkte oder Heimatstubenabende veranstaltet. Zudem werden donauschwäbische Bälle mit Trachtentanz angeboten. Mancherorts wird das aus Süddeutschland bekannte Strudelfest, das Milchbrotfest oder das Gugelhupffestival gefeiert.
In einigen Orten findet eine Zusammenarbeit mit den Heimatortsgemeinschaften (HOG) und Partnergemeinden in Deutschland statt. Beispiele: HOG Kernei mit Kljajićevo oder HOG Sekitsch/Feketitsch mit Gemeinden Lovćenac und Feketić. Die Zusammenarbeit ist eine große Hilfe.
Die Zukunft der Donauschwaben in Serbien
Aufgrund der geringen Zahl von Donauschwaben im heutigen Serbien sind die Zukunftsaussichten als eigenständige Minderheit nicht rosig. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es Diskriminierung, Internierung und Vertreibung, die zu einer raschen Abnahme der Zahl der Deutschen führte. Heute sind es die wirtschaftlichen Verhältnisse, die Menschen zum Auswandern nach Deutschland und Österreich bewegen.
„Wer eine Perspektive im Arbeitsleben haben möchte und über Kontakte in deutschsprachige Länder verfügt, der wird Serbien verlassen“, ist sich Anton Beck, Vorsitzender der Donauschwaben in Sombor, sicher. Zurück bleiben die Alten.
„Die Kultur der Donauschwaben in der Vojvodina wird untergehen.“ Darin ist sich auch Boris Mašić vom Donauschwäbischen Kirchenmuseum Apatin sicher. Er versucht daher zu bewahren, was noch an Kulturgütern zu retten ist.
Politisch und kulturell fühlen sich die Deutschen als Minderheit in Serbien respektiert. Betrachtet man den staatlichen Umgang mit Minderheiten jedoch als Lackmustest für rechtsstaatlichen Minderheitenschutz und den Willen zur europäischen Integration, so muss zumindest festgestellt werden, dass die finanzielle Unterstützung für die deutsche Minderheit ständig sinkt und es kaum Planungssicherheit gibt.
Seit der EU-Perspektive für Serbien ist das Interesse an der deutschen Minderheit in Serbien auf europäischer Ebene gestiegen. Allerdings fehlen die finanziellen Mittel, um auch nur einen Teil der Einladungen zu Konferenzen und Tagungen anzunehmen.
In 20 Jahren kaum noch „echte“ Donauschwaben
„Wir haben viele Ideen, und ich freue mich, dass in letzter Zeit wieder mehr junge Menschen in den Verein kommen“, sagt Anton Beck. Der Verein in Sombor hat auf Facebook immerhin rund 1700 Fans – doppelt so viele wie Mitglieder. Realistisch müsse man aber sagen, dass es in 20 Jahren kaum noch „echte“ Donauschwaben geben werde.
Dennoch blickt Beck verhalten optimistisch in die Zukunft: „Meine Vision ist, dass wir aus dem Verein mit seinen donauschwäbischen Wurzeln ein deutsches Kulturzentrum entwickeln können. So könnten wir die Geschichte bewahren und eine Brücke in die Zukunft schlagen. Das wäre sicher eine Perspektive für die nächsten 50 bis 100 Jahre.“
Eine Wiederbelebung der deutschen Identität wünscht sich Rudolf Weiss von Deutschen Volksverband und sieht bei seinen Landsleuten den Willen zum Überleben: „Entschlossenheit und Wille sind – ungeachtet aller Schwierigkeiten – die starke Grundlage für die Bewahrung der deutschen Identität in der Vojvodina. Die Förderung der deutschen Sprachkenntnisse in breiten Schichten der Deutschstämmigen ist ein Muss für uns. Ohne Muttersprache gibt es keine Volksgruppe oder Identität.“
Wie ein Symbol für die Lage der Donauschwaben in Serbien steht derzeit die katholische Herz-Jesu-Kirche in Apatin. Sie hat nur noch eine Turmspitze. Vor zwei Jahren hatte der Blitz eingeschlagen und das Turmdach in Brand gesetzt.
PS: Alle Beiträge zum Thema Donauschwaben im Sombor Blog findet Ihr HIER.
Siedlungsgebiete der Donauschwaben
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Hallo,
eine sehr schöne Seite mit interessanten Informationen. Da meine Familie, Vater aus Essegg und Mutter aus Calma stammt, kann man hier schon einige Informationen und interessantes finden.
Ich habe auch den Newsletter gleich abonniert.
Dem kann ich mich nur anschließen. Ich begrüße die Aktionen zur kulturpflege. Meine Großeltern stammen aus dem Banat. So freue ich mich, hier schon Informationen und interessantes zu erfahren und werde den newsletter abonieren.
Mein Vater ist noch in Vrbas geboren, die Familie mußte aber 1944 fliehen, vor zwei Jahren haben meine Schwester und ich dann Vrbas zum ersten Mal gesehen und waren erschüttert vom Zustand der lutherischen Kirche und auch des deutschen Friedhofes.Der schlechte Zustand beschäftigt auch alle Verbaser , sie versuchen verzweifelt seit Jahren Geld und Handwerker aufzubringen, die die Baustelle in Angriff nehmen!!!!!
Umso positiver war die Begegnung mit einem aus Bosnien stammenden Historiker und Musiker im Stadtmuseum,
der mich mit meinem Chor zu einer Jubiläumsveranstaltung eingeladen hat- diesen Mai war es dann soweit:
Wir haben gemeinsam mit dem Verbaser Chor und der Folkloregruppe AVAZ Konzerte gestaltet!!!!
Ein unwiederbringlich schönes und nur zur Nachahmung empfohlenes Ereignis…