
Während auf dem Balkan auch heute noch oft das Trennende in den Vordergrund gestellt wird, geht man im serbischen Sombor einen anderen Weg: Im Örtchen Bezdan suchten Serben, Ungarn und Kroaten am Wochenende nach Gemeinsamkeiten und bauten eine Brücke der Freundschaft. Das hat in Bezdan, das zur Stadt Sombor gehört, schon Tradition, denn schließlich liegt der Ort genau im Dreiländer-Eck.
Neben der Liebe muss auch die Völkerverständigung durch den Magen gehen: Ein Ochse dreht sich am Spieß, Lángos brutzeln im heißen Fett, die serbische Bohnensuppe Pasul und der ungarische Gulasch warten nebeneinander auf Kundschaft, und kroatische Weine laden zum Verkosten ein. In Bezdan bleibt bei der gegenseitigen Annäherung niemand hungrig zurück. Ich muss mich angesichts der kalorischen Köstlichkeiten noch entscheiden…

„Wir machen das schon zum 11. Mal“, erklärt mir István Fejes vom Organisationsteam. Hinter der Veranstaltung steht der örtliche Verein „Puls“. Der Titel des Treffens heißt „Trojni susret“, was wörtlich übersetzt Dreiertreffen bedeutet.
Bezdan war früher, als Waren und Menschen hauptsächlich noch auf der Donau transportiert wurde, der Hafen von Sombor. Die Donau-Frachtschiffe legten hier an, die Güter für Sombor wurden umgeladen und auf dem Großen Batschka-Kanal (Veliki bački kanal) in die Stadt gefahren. Bezdan ist eine der ältesten Siedlungen der Vojvodina und wird wegen der vielen Wasserläufe auch „Wasserstadt“ genannt. Heute ist der Ort mit seinen rund 5000 Einwohnern sechs Kilometer von der kroatischen und zehn Kilometer von der ungarischen Grenze entfernt. Nach der letzten Volkszählung waren rund 60 Prozent der Einwohner Ungarn, gefolgt von Serben und Kroaten.
Das Fest am Ufer des Bački Kanals ist unter den hohen Weiden nicht nur idyllisch gelegen, es strahlt auch selbst eine große Harmonie aus. Sie ist nicht künstlich auferlegt, sondern lebt von den liebenvollen Details und der sehr bescheidenen Größe der Veranstaltung. Und vor allem davon, dass niemand sich oder seine nationale, ethnische oder religiöse Zugehörigkeit hervorhebt, sondern sich einbringt ohne hervorzustechen. Mir fällt weder eine serbische, noch eine kroatische oder ungarische Fahne auf. Dafür sind alle Sprachen zu hören.
Viele handwerkliche Arbeiten kommen aus der Region, wie etwa handgerfertigte Deko-Artikel von „Brigita“ aus Sombor oder die Töpferwaren von „Emi Art“ aus Bezdan. Auch in den Kesseln, Töpfen und Pfannen gart und brät Regionales. In der Mitte des Platzes dreht sich ein Kinder-Karussell mit Wäschekörben in menschlicher Geschwindigkeit im Handbetrieb. Das Obst und Gemüse der Region ist wie bei einem Erntedank-Fest liebevoll dekoriert.
Wer den Weg der Marktstände abschreitet, kommt automatisch über die Brücke der Freundschaft (Most prijateljstva). Die Holzbrücke führt über einen kleinen, symbolischen Wasserlauf, der die Donau darstellt. Links und rechts von ihr sind die Länder Serbien, Ungarn und Kroatien mit Styropor-Buchstaben dargestellt. In Bezdan suchen sie das Verbindende statt das Trennende.
„Bei uns geht es darum, die Menschen und Kulturen kennenzulernen, um die gegenseitige Toleranz zu stärken“, sagt mir István. Schließlich sei das Dreiländereck und auch Bezdan eine sehr gemischte Region. „Bei uns auf dem Fest spielen religiöse oder politische Aspekte keine Rolle“, betont er. Wie recht er doch hat: Parteien und Religionen müssen schon zur eigenen Legitimation das Trennende und Abgrenzende suchen. Das hat die jüngere Vergangenheit auf dem Balkan und andernorts nur allzu deutlich gezeigt.
Während die Mittagszeit im Zeichen von Essen, Trinken und Shoppen steht, gibt es am Nachmittag folkloristische Auftritte, Sportwettbewerbe im Handball, Drachenboot-Fahren und Schach. Am Abend wird’s auf der Bühne poppig und rockig.
„Wir überlegen, das Fest in Zukunft auf zwei oder drei Tage am Wochenende auszuweiten – das Programm ist für einen Tag doch sehr dicht. Ich hoffe, unsere Sponsoren ziehen mit und wir können noch ein paar dazugewinnen“, sagt István mit seiner Tochter auf dem Arm.

Insgesamt ist das Dreiertreffen ein sehr authentisches und harmonisches Fest, das ich auch gerne im nächsten Jahr wieder besuchen möchte – und das ich Euch auch gerne empfehle. Doch schon beim ersten Rundgang hatte ich in diesem Jahr das Gefühl, dass hier eine Art Fremdkörper auf dem Platz ist, der aus dieser Harmonie etwas heraussticht – optisch und atmosphärisch. Der war beim näheren Hinsehen schnell lokalisiert: der Liberland-Stand.
Die Aktivisten, die einen eigenen Staat auf der kroatischen Seite des Donauufers gründen wollen, haben in Bezdan ein Haus als Basis gemietet und waren auf dem Fest mit einem Pavillon-Zelt vertreten. Doch statt sich harmonisch in die Gemeinschaft einzufügen, belästigten sie die Besucher mit politischen Flyer und dekorierten ihr Zelt mit einem Meer aus Liberland-Fahnen (Foto hier). Das Auftreten: amerikanisch, laut.
Auf ihren Facebook-Seiten feierten sie die Aktion als „Promotion Days“. Auch glaubten Sie, sie seien an der Donau, doch dabei standen sie am Bački-Kanal-Ufer.
„Es gefällt uns nicht so sehr, mit all‘ den Fahnen. Wir haben auch versucht mit ihnen zu reden – aber nun gut, wir sind tolerant“, sagt mir István Fejes diplomatisch.
Ob die Liberland-Aktivisten in Bezdan neue Freunde gefunden haben, weiß ich nicht. Doch über die Brücke der Freundschaft geht man im Dreiländer-Eck sicher nicht mit der Fahne voran und dem Propaganda-Material im Gepäck.
Mehr Beiträge zu Liberland findet Ihr im Blog hier.
Den Termin für das Dreiländereck-Fest im kommenden Jahr findet Ihr rechtzeitig auf der Seite des Vereins „Puls“ oder natürlich auf den Sombor-Blog-Kanälen bei Twitter und Facebook.
Update Sonntag, 9. August 2015:
Ich weiß nicht, ob die Liberland-Aktivisten sich meine Kritik zu Herzen genommen haben, jedenfalls waren sie dieser Tage auf Goodwill-Tour in Bezdan unterwegs. Wie das Nachrichtenportal SOinfo.org berichtete, sammelten sie an Straßen und Wegen mehrere Stunden lang Müll ein.

„Es war schön, die Freude auf den Gesichtern der Passanten zu sehen, und ich denke, das ist ein guter Weg, um den Einheimischen und Bewohnern Serbiens zu zeigen, dass wir gute Menschen sind und dass wir alles in unserer Macht stehende tun, um zu helfen“, sagte laut SOinfo.org ein Sprecher des Teams.
Doch von den Lesern des Beitrags auf SOinfo.org gab es für die Aktion nicht nur Zustimmung.
Ein Leser kommentiert: „Zumindest machen sie was Sinnvolles statt nur Unsinn zu erzählen.“ Sinngemäß schreibt er weiter, dass es generell keine gute Idee sei, in der Region zwischen Serbien und Kroatien einen neuen Staat gründen zu wollen – „sie kennen die Gesetze nicht und respektieren die territorialen Grenzen nicht“.
Ein zweiter Kommentator fragt süffisant, ob es in Bezdan keine kommunalen Arbeiter gebe, die für Sauberkeit sorgen würden. Es spreche nicht für Bezdan, wenn Ausländer kommen müssten, um den Müll von der Straße zu räumen.
Wumms, das sitzt. Es scheint mir, als hätten die Liberland-Aktivisten doch noch nicht den richtigen Dreh für ihr Auftreten in Bezdan gefunden – oder was meint Ihr?
(This post is also available in English!)
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